Wage Against the Machine

Our fortnightly newsletter on the future of work and the digital transition

Leitartikel von Reiner Hoffmann, Stellvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung

Vor zehn Jahren schlugen Carl Frey und Martin Osborne ein neues Kapitel in der Automatisierungsdebatte auf, indem sie eine verblüffende Behauptung aufstellten: 47 % der Arbeitsplätze in den USA seien durch die Digitalisierung und die hiermit einhergehende Automatisierung von Prozessen stark gefährdet. Heute ist die Debatte über die „Zukunft der Arbeit“  noch immer voll im Gange- in jüngster Zeit vor allem angetrieben von Chat-GPT und seinen Konkurrenten. Es ist jedoch klar geworden, dass das Schicksal des Arbeitsmarktes angesichts der neuen Technologien keineswegs vorbestimmt ist; die Zukunft der Arbeit hängt von unseren Institutionen ab.

Ob Künstliche Intelligenz und Digitalisierung Arbeitsplätze schaffen oder vernichten, ob sie erfüllende oder schlechte Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, ob sie zu hochwertigen Arbeitsplätzen oder zu einer Überwachungsdystopie führen - hängt in erheblichem Maße von unseren Gesetzen und ihrer Durchsetzung ab. Ich denke hier zum Beispiel an die jüngste Erhöhung des Mindestlohns in Deutschland, die Notwendigkeit, Datenschutzbestimmungen am Arbeitsplatz durchzusetzen, und die kürzlich vereinbarten EU-Regelungen, die – so meine Hoffnung – auch den so genannten "Scheinselbstständigen" der Plattformökonomie den Zugang zur Sozialversicherung erleichtern werden. Und in naher Zukunft sollten wir die 4-Tage-Woche zu dieser Liste hinzufügen.

Wir dürfen auch die Bedeutung der Gewerkschaften und Betriebsräten nicht unterschätzen. Im Gegensatz zum Vereinigten Königreich hat der zunehmende Einsatz von Computern in Deutschland nicht zum Abbau, sondern zur Schaffung von Arbeitsplätzen geführt – dank der bei uns stark institutionalisierten Sozialpartnerschaft. Um sicherzustellen, dass die Einführung neuer Technologien den Beschäftigten zugutekommt, habe ich mich in meiner Zeit als Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für eine starke Beteiligung der Arbeitnehmer_innen an diesen Prozessen eingesetzt. Die positive Rolle, die Sozialpartnerschaft in der Transformation spielen kann spiegelt sich auch im Ziel der EU wider, die Tarifbindung auf mindestens 80 % der Beschäftigten auszudehnen - ein Ziel, das ich sehr unterstütze, auch wenn ich mich frage, ob der politische Wille hierzu in Europa gegenwärtig wirklich vorhanden ist.

Dennoch dürfen wir uns nicht in vermeintlicher Sicherheit wiegen. Viele – allen voran die Technologieunternehmen des Silicon Valley - verbreiten eine deterministische Vision von KI, in der Beschäftigte vollständig durch Maschinen ersetzt werden können. Dem widerspreche ich vehement. Ich denke, dass die Zukunft der Arbeit grundsätzlich offen und gestaltbar ist. Es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen - über die Technologie, wie sie im Jetzt und Hier funktioniert, nicht über die utopische Vision, die uns die Technologieunternehmen verkaufen.

Deshalb freue ich mich, Ihnen den neuen Newsletter "Wage Against the Machine" des FES-Kompetenzzentrums Zukunft der Arbeit vorzustellen. Für alle, die sich für politische Fragen rund um die Zukunft der Arbeit und digitale Technologien interessieren, filtert die FES in Zusammenarbeit mit Syllabus die besten Beiträge aus dem Netz und stellt sie in ihrem zweiwöchentlichen Newsletter vor. Ein Public Archive, in dem alle Beiträge gesammelt werden, ergänzt das Angebot. Denn nur wenn wir die Gegenwart verstehen, können wir eine Erzählung und fundierte Strategien entwickeln, für eine Zukunft die allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugutekommt.